Montag, 13. Oktober 2003
#004 Simon ist
bereits mit 16 Jahren von zu Hause fortgezogen und ging in ein Internat. Nach der Schule und dem Studium zog es ihn nicht mehr zu den Eltern. Nun ist er 40 Jahre alt, und zum zweiten Mal verheiratet. Seine Eltern besucht er in der Regel zweimal im Jahr, aber an jedem Wochenende telefoniert er mit ihnen mindestens eine halbe Stunde. Jedes Wochenende seit er von zu Hause fortzog. Seit 24 Jahren. "Was gibt es Neues?", fragt er dann. Aber es gibt nie was Neues. Aber über die Politik, wie sie die Wirtschaft kaputtmacht, darüber lässt sich immer lange sprechen. Er war kein schlechter Sohn, obwohl er ihnen gegenüber immer ein schlechtes Gewissen hatte, dass ihn die ganze Woche über begleitete. bis er dann am Wochenende telefonierte. Das beruhigte ihn wieder.
Seit sein Vater in diesem Sommer operiert worden war, er bekam eine künstliche Herzklappe, das war keine leichte Operation, das war schon lebensbedrohend, hörte er die Stimme seines Gewissen noch ein klein wenig lauter. "Man sieht sich ja so selten", meinte sein Vater.
In diesem Jahr fiel der Geburtstag des Vaters auf einen Samstag. Es war der 69. Geburtstag und es gab keinen Grund, die Eltern nicht zu besuchen. Also fuhrer am Samstagmittag mit dem Auto von dem kleinen südhessischen Städtchen, in dem er lebte, in Richtung Rheinland, wo seine Eltern ihr Haus hatten. Schon die Fahrt über die Autobahn war ihm fremd, obwohl vertraut seit der Kindheit. Die hohe Verkehrsdichte, die engen, aneinander gefesselten Städte ohne Grenzen, die immer miteinander im Wettstreit zu liegen scheinen. Düsseldorf, Köln. Er verlangsamte seine Fahrt, um sich an die Dichte des Straßenverkehrs zu gewöhnen. Es ist schon richtig, hinzufahren, dachte er. Man weiss ja nie. Eine CD hatte er ihm gekauft, mit eingängigen Melodien, nichts Anspruchsvolles, sondern unterhaltend. Was anderes hörten seine Eltern nicht. Sie hörten eher selten Musik, dafür lief der Fernseher fast ununterbrochen und immer sehr laut, da der Vater schlecht hörte. Seine Mutter merkte es nicht mehr, wie laut der Apparat war. Sie war es gewöhnt, seit Jahren.
Simons Frau hatte ihm noch einen selbstgebackenen Kuchen mitgegeben. "Fahr mal allein", sagte sie. Sie fühlte sich als zweite Frau in der Familie nicht so recht akzeptiert und mochte es nicht, mit dem Namen der ersten Frau angeredet zu werden, natürlich nur versehentlich. "Die alten Gewohnheiten" , war dann die Bemerkung von Simons Mutter. Und dabei lächelte sie so, dass man nie wusste, ob es ihr peinlich war oder ob es Simon peinlich sein musste, weil er die alten Gewohnheiten durchbrochen hatte. Seine Eltern waren immerhin schon seit 45 Jahren miteinander verheiratet.
Er kommt an. Gespräche bei Kaffee und Kuchen, dem selsbtgebackenen, aber Simons Mutter hatte noch zwei weiter aufgetaut von Coppenrath & Wiese. Viel zu viel für drei Personen. Nebenbei läuft die CD. "Das ist schöne Musik", waren sich die Eltern einig und Simon war froh.
Er bleibt über Nacht und am Sonntagmorgen fahren sie gemeinsam in ein Gartencenter, dass Sonntags geöffnet hat. Der Vater fährt, schließlich hat er einen Mercedes, Simon nur einen Passat und der war nicht beosnders gut gepflegt.
Seine Mutter spendiert ein paar Pflanzen. Orchideen - wer mag eigentlich Orchideen? Blüten an langen Stilen und fast keine Blätter, dazu noch hochsensible Pflanzen.
Zwei weitere Pflanzen für seinen Garten durfte er selbst aussuchen und er wählte welche, deren Namen er nicht kannte und die auch im Winter grün bleiben würden.
Am Ausgang drückt ihm seine Mutter 50 Euro in die Hand. "Für's Benzin", sagt sie und Simon denkt, dass sie sich die CD auch selber hätten kaufen können. Sie haben schon viel mehr für ihn ausgegeben , als er für sie. Aber er sagt es nicht laut, das würde sie kränken.
Zurück am Haus der Eltern laden sie alles in Simons Auto um.
Nach dem Mittagessen drückt sein Vater ihm einen Scheck in die Hand und sagt: "Für die Haushaltskasse." Dreihundert Euro steht drauf. Mit der Schreibmaschine ausgefüllt. Es ist schließlich ein offizielles Dokument. "Also habe ich ihm im Grunde überhaupt nichts zum Geburtstag geschenkt", denkt Simon.
Ist es die Absicht, die zählt? Oder wäre es nicht auch einmal schön, wenn sie nehmen könnten und sich einfach darüber freuen? Er denkt das nicht wirklich, es ist nur so ein dumpfes Gefühl. Aber das ist schnell wieder vergessen.
Auf dem Heimweg wird Simon bewusst, warum er es im Grunde hasst, Geschenke zu machen. Schon seit frühester Kindheit war ihm das verleidet. Da ist wieder das Gefühl, das es nicht ausreichend war und nicht gut genug. Mag sein, dass man das auch anders deuten kann, aber eine andere Deutung fiel ihm nicht ein, sie war für ihn so schwer zu glauben.
Als er mit seinem Auto auf dem Heimweg die imaginäre Grenze zu Rheinland-Pfalz überfährt, gibt er Gas und atmet tief durch. Er fühlt sich erleichert. Am nächsten Wochenende wird er wieder zum Telefon greifen, um seine Eltern anzurufen. Wie all die anderen Wochenenden zuvor auch. Und natürlich wird er sich noch mal für alles bedanken und für die schöne Zeit bei ihnen. Er ist schließlich ein guter Sohn.

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Freitag, 10. Oktober 2003
#003 In einem kürzlich erschienenen Zeitungsartikel
stand zu lesen, dass die Frustration darüber, nicht zu bekommen, was man sich wünscht, die häufigste Ursache für Stress sei.
Wir können diese verringern, indem wir die Frustration in Faszination verwandeln.
Faszination kann ausgelöst werden durch die Frage: Was lerne ich hier und jetzt?

Daraus sollte man mal eine Geschichte basteln.

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# 003 In einem kürzlich erschienen Zeitungsartikel
stand zu lesen, dass die Frustration darüber, nicht zu bekommen, was man sich wünscht, die häufigste Ursache für Stress sei.
Wir können diese verringern, indem wir die Frustration in Faszination verwandeln.
Faszination kann ausgelöst werden durch die Frage: Was lerne ich hier und jetzt?

Daraus sollte man mal eine Geschichte basteln.

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Donnerstag, 9. Oktober 2003
# 002 Anja ist
innerhalb der Probezeit entlassen worden. Sie war wohl keine gute Mitarbeiterin. Aber auch nicht wirklich schlecht.
Sie tratschte gern und viel, und Tratsch ist ja selten etwas Positives, dass über einen Menschen geredet wird. Ihr Augenmerk lag auf den Schwächen und Fehlern der Menschen. Darüber wurde ausgiebig mit den Kollegen gesprochen - natürlich immer vertraulich. So fand sie auch schnell Kontakt zu Mitarbeitern, die das gleiche Informationsbedürfnis hatten und für einen derartigen Austausch offen waren. Sie fühlte sich wohl mit den Kollegen.
Nur ihrem Chef ging sie aus dem Weg, er hatte für sie etwas Bedrohliches, hatte hohe Ansprüche und formulierte seine Kritik sehr schnell und sehr deutlich. Das gefiel Anja überhaupt nicht, sie spürte schnell, dass er in dieser Hinsicht alle gleich behandelte und dadurch die Arbeitsatmosphäre immer etwas angespannt war.
Also vermied sie den Kontakt und machte ihre Arbeit zügig, schnell - und wenn man so schnell arbeitet, macht man natürlich auch Fehler, besonders am Anfang. Aber genau das merkte sie erst, wenn es dem Chef mal wieder zu viel wurde und er ihr seine berühmte Standpauke hielt.
Dann fand sie ihn ganz unmöglich - so darf doch ein Chef nicht sein - wird man denn hier nie gelobt? Sie konnte sich über ihn aufregen, was wiederum dazzu führte, dass sie in bewährter Form über ihn tratschte. Bewährte Methoden.

Gestern dann bekam sie die Kündigung mit sofortiger Freistellung. Sie hatte es schon geahnt, spätestens dann, als eine Frau zum Gespräch beim Chef war und ihr sechster Sinn ihr sagte, dass eine Nachfolgerin für sie gesucht wird. Aber so ganz wollte sie es nicht glauben. Der Chef hatte schließlich nichts angedeutet.
Daher war sie dann doch überrascht, als sie mittags nach Hause gehen durfte. Sie verabschiedete sich von den Kollegen. Nichts war mehr zu spüren von ihrer Solidarität, kaum ein Wort des Bedauerns. Als die Bürotür hinter ihr ins Schloss fiel, ahnte sie das Thema, über das jetzt getratscht werden würde. Lang und ausgiebig.

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